Der Künstler Alexander Ströck:
Rhythmus und gebrochene Idylle

Alexander Ströck arbeitet an der Schnittstelle von Figuration und Abstraktion. In seinen Radierungen und Ölgemälden treffen organische Formen und Gestalten auf harte architektonische Strukturen. Malerischer Gestus bewegt sich bei ihm wie Melodie und Rhythmus eines Musikstücks – fließend, schwingend, mit Fermaten und Synkopen.

In seinen Werken spielt Ströck mit der Spannung zwischen gestalterisch Überbordendem und Zurückhaltung. Aus einem Strich entwickeln sich Wesen, die sich gerade noch aus nervösen Windungen heraus erkennen lassen. Dann wieder sind es komplexe Flächen, Raumstrukturen und scharfe Hiebe, die dem Bild seine Richtung geben. Figürliche Erscheinungen sind in variable, sich verdichtende Räume eingeflochten.

(Ströck) „Ich beobachte, wie sich Personen in der von ihnen mit künstlichen Räumen und Gegenständen angefüllten Welt bewegen. Dabei erlebe ich dicht gedrängte Menschenansammlungen als Gefüge, einzelne kontrastierende Gestalten in unterschiedlicher Anspannung. Einerseits suchen sie die Gruppe aus einer Sehnsucht nach Geborgenheit, andererseits werden sie erdrückt darin, verlieren ihre individuelle Physiognomie und werden zum stilisiert gezeichneten Prototyp.“

Die Szenen scheinen in ihrer kompositorischen Zuspitzung oft beunruhigend. Erst beim zweiten Hinsehen offenbaren sich der Humor und die Melancholie, die dem Ganzen innewohnen. Der erste Eindruck wird unterlaufen und hinterlegt mit Bedeutungen in nicht immer greifbarer Ausrichtung. Und ja, manchmal lauert auch das Unheimliche dahinter. Empfindlich und außergewöhnlich in ihrer grafischen Ausprägung, sind sie Momentaufnahmen verletzlicher Wesen in Bedrängnis.

Inspiriert von alten Meistern oder auch nur von schnell aus dem Augenwinkel beobachteten Szenen, erschafft Ströck eine Bildwelt, die in aller Hermetik genau betrachtet werden will. Die kleinformatigen Grafiken mit ihren leicht zu übersehenden grafischen Verdichtungen der Strichlagen eröffnen ihren filigranen Reiz besonders aus unmittelbarer Nähe. Die Malereien hingegen erlauben ein von Ströck angestrebtes Rezeptionserlebnis, wie es nur das malerisch ausgestaltete Originalbild zulässt. Die Wahrnehmung der Komposition aus der Entfernung verändert sich beim Nähertreten zum Bild. Der deskriptive Bildinhalt tritt in den Hintergrund, die Mittel der Oberflächengestaltung rücken in den Fokus: Die Bildoberfläche und das Material an sich sprechen Betrachtende mit Stofflichkeit und rhythmischer Bewegungsspur unmittelbar an. Farbe und malerisch-rhythmischer Gestus behaupten ihr ästhetisch-abstraktes Eigenleben abseits der rein narrativen und beschreibenden Funktion im Bild.

Bildnerischer Plan und Zufallsstrich, Gestalt und Assoziation kennzeichnen Ströcks künstlerischen Konflikt, treiben aber auch die Zeichnung voran und halten den malerischen Prozess in Bewegung.

TEXT: SIGRID MARKL, 2023

Paare, Passanten
Der flüchtigen Schönheit auf der Spur (…)

In der „Kulissengasse“ – so der Titel eines Gemäldes – herrscht dichtes Gedränge. Warten die Schauspieler auf ihre Auftritte? Wurden sie einfach abgestellt und vergessen? Man merkt den Ölgemälden und Radierungen von Alexander Ströck an, dass der Künstler gern ins Theater geht, aber auch, dass er einen feinen Humor hat, in dem das Abgründige erst auf den zweiten Blick erkennbar wird. Ströck ist ein pointierter Beobachter, der vor allem im Flüchtigen die Schönheit entdeckt. Sein Strich ist zugleich wuchtig und filigran, zwischen Figurativem und Abstraktem. Seine Motive sind Wartende und Paare, die mit widrigen Umständen zu kämpfen haben, Kellner, die wie Rufzeichen am Wirtshaustisch stehen – alles sehr konkret, zugleich so leicht und absurd wie Figuren aus einem Theaterstück (…)

TEXT: KARIN CERNY, Kulturressort Nachrichtenmagazin „profil“, Profil Nr. 25, 18. Juni 2023

Konkrete Szenen, figürliche Malerei,
der spannungsgeladene Moment

Die Werke Alexander Ströcks visualisieren keine abstrakte Theorie, sondern öffnen sich der Phantasie des Betrachtenden. Der Fundus an Vorstellungswelten, aus dem Alexander Ströck schöpft, ist grenzenlos: Theater auf und hinter der Bühne, moderne Literatur, Film, Popkultur und die lange Tradition der Malerei sind das Reservoir, aus dem er ebenso schöpft, wie aus den Beobachtungen unserer urbanen Lebenswelt. Wir begegnen in seinen Werken archetypisch wirkenden Landschaften ebenso wie maskenhaft stilisierten anonymen Einzelnen, die vor dem Hintergrund einer Metropole zu verharren scheinen, beunruhigend, Fragen aufwerfend. Der Barkeeper eines urbanen Lokals kann ebenso Zentrum seiner Bildwelt sein wie eine verschlingende Naturszenerie oder ein sehnsuchtsvoll ausharrendes Mädchen.

Malerei als Beobachtung von Szenen der Brüchigkeit menschlicher Existenz, spürbar in scheinbar unbeobachteten Momenten Einzelner, gegenübergestellt der floralen, organisch-exzessiven Üppigkeit von Landschaft und Gärten wie auch das Abarbeiten an den gewaltigen Bildwelten Brueghels: All das findet sich im Werk Ströcks. Man kann die Bilder inhaltlich lesen sowie von der Nahbetrachtung hin zu Bildwirkungen aus ein paar Metern Abstand verschiedene Eindrücke gewinnen. Was uns in den Bildern Ströcks begegnet, sind oftmals Situationsaufnahmen, mal zeichnerisch-graphisch umrissen, mal malerisch gefüllt, in die man beobachtend, voyeurhaft, lustvoll, wie auch analytisch-sinnierend eintauchen kann wie in einen Katalog nächtlich phantasierter Traumwelten.

TEXT: RALF TSCHADA, StD München, 2023